Statt “grauer footprint” könnte man auch “grauer Fußabdruck” sagen, oder “grey footprint”. Dummerweise findet man bei Websuchen dann leicht Seiten zum Thema Grauwasser. Nun denn, der Begriff “grauer footprint” erscheint als eine unglückliche Kombination aus deutsch und englisch. In manchen Kreisen hat sich allerdings der englische Begriff “footprint” eingebürgert als Synonym für den ökologischen Fußabdruck. Mit “grauer footprint” ist also gemeint: “grauer ökologischer Fußabdruck”.
Unter dem ökologischen Fußabdruck wird die Fläche auf der Erde verstanden, die notwendig ist, um den Lebensstil und Lebensstandard eines Menschen (unter den heutigen Produktionsbedingungen) dauerhaft zu ermöglichen.
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Ökologischer_Fußabdruck
Der bisherige ökologische Fußabdruck in Deutschland beträgt im Durchschnitt pro Mensch ca. 4,6 Global-Hektar. Die Biokapazität liegt in Deutschland jedoch nur bei ca. 2 Global-Hektar pro Mensch.
Hier im Blog habe ich schon mal was zum ökologischen Fußabdruck geschrieben:
http://www.konstantin-kirsch.de/2015/09/was-koennen-wir-von-den-fluechtlingen-lernen.html
In unserem Leitbild gehen wir auch auf den ökologischen Fussabdruck ein:
http://www.waldgartendorf.de/leitbild/
Dieser Text ist auch als Broschüre bestellbar. Hier befindet sich der Text zum ökologischen Fußabdruck auf Seite 4:
https://www.waldgartendorf.de/shop/artikel/broschuere-waldgartendorf/
Was ich in dem Text (bisher) nicht erwähnt habe ist der “graue Fussabdruck” oder auch “grauer footprint” genannt.
Hierbei handelt es sich um den Anteil an gesellschaftlichen Leistungen (Infrastruktur, Gebäude, Verkehr, …), öffentliche Verwaltung, Regierung, Gesundheitswesen, Bildungswesen, Kultur, Sportanlagen, Militär, Polizei, Feuerwehr, Geheimdienste …
Der graue Footprint wird angegeben mit erstaunlichen 1,5 bis 1,9 Global-Hektar pro Mensch!
Der graue Footprint beträgt damit 75 bis 95% der Biokapazität!
In anderen Worten: Fast 100% der gesamten Landfläche wird beansprucht für öffentliche Verwaltung, Regierung usw.
Soll das zukunftsweisend sein?
Das Dilemma, Politiker von dieser Situation überzeugen zu wollen, besteht darin, dass man ihnen klar machen müsste, dass sie sich selbst abschaffen müssten … Kann das gehen? Ich schätze, das ist eher schwierig. Der Weg kann daher wohl nur sein, Strukturen zu schaffen, die sich überwiegend selbst regulieren und daher extrem weniger brauchen an:
Verwaltung, Regierung, Gesundheitswesen, Bildungswesen, Kultur, Sportanlagen, Militär, Polizei, Feuerwehr, Geheimdienste …
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Leider verwirrt die Angabe von Global-Hektaren leicht.
1 Global-Hektar sind hierzulande nur ca. 1/4 Real-Hektar = 2500 m², weil in Deutschland oder Österreich die Böden (noch) viel produktiver sind als z.B. in der Wüste. Umgerechnet kommt der graue Anteil auf ca. 0,43 Real-Hektar pro Mensch.
Wir sehen neben individueller Bewusstseinsentwicklung einen Schlüssel des Platzbedarfs in der Siedlungsform.
Unser Leitbild eines zukunftsweisendes Siedlungskonzeptes sieht so aus:
Sinnvoller Flächenbedarf einer siebenköpfigen Familie (in Real-Hektar):
* 1 Hektar ist Lebensraum der Familie. Der Garten dient als 1 Hektar ist Lebensraum der Familie. Der Garten dient als Lebensgrundlage. Es entstehen auch Überschüsse.
* 0,5 Hektar Nutzwald
* 0,5 Hektar Wildnisfläche / Urwald
* 0,4 Hektar für Getreide und Weidefläche
* 0,2 Hektar für Wege, Werkstätten, Schule etc.
* 0,1 Hektar Nutzung überregionaler Infrastruktur (=grauer footprint)
* 0,1 Hektar Produkte im globalen Austausch
Summe: 2,8 Hektar
Die aktuelle Bevölkerungsdichte in Deutschland liegt bei 2,3 Menschen pro Hektar.
In unserem Konzept brauchen 7 Menschen 2,8 Hektar.
Als Bevölkerungsdichte berechnet wären es 7 Menschen geteilt durch 2,8 Hektar = 2,5 Menschen pro Hektar
Mit diesem Siedlungsmuster bräuchte die deutsche Bevölkerung also weniger Platz als beim bisherigen Muster mit Städten und ausgeräumter Landschaft aussen rum.
In unserer Liste steht an letzte Stelle der Punkt:
* 0,1 Hektar Produkte im globalen Austausch
Hiermit sind Produkte gemeint, die ausserhalb der Siedlung hergestellt werden. Mit “anderen Regionen der Welt” meinen wir alles vom Nachbardorf bis hin zu Bananenplantagen am Äquator. Ein Teil dieser 0,1 Hektar pro Familie betrifft also auch Flächen ausserhalb von Deutschland. Wir sehen es als ausgewogen an, wenn ungefähr gleichviel exportiert wie importiert wird (in Betrachtung des Flächenbedarfs).
Wenn wir als Gesellschaft jedoch statt 0,1 Real-Hektar pro 7 Menschen (= 0,014 ha/M) ganze 0,43 Real-Hektar pro Mensch für überregionale Infrastruktur (= grauer footprint) verbrauchen, dann reicht die Fläche nicht!
Für die gesamtgesellschaftliche Zukunftsfähigkeit muss es also an diesen Posten eine Verkleinerung um ca. 90 % geben:
öffentliche Verwaltung, Regierung, Gesundheitswesen, Bildungswesen, Kultur, Sportanlagen, Militär, Polizei, Feuerwehr, Geheimdienste, …
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Nachtrag zur Waldfläche pro 7 Menschen / * 0,5 Hektar Nutzwald / * 0,5 Hektar Wildnisfläche / Urwald
Zusammen sind das 1 Hektar Wald/Wildniss/Urwald pro 7 Menschen.
Im Vergleich mit heute:
Deutschland hat ca. 83 Millionen Einwohner.
83 Mill. geteilt durch 7 Menschen sind 11,9 Millionen Gruppen mit je 7 Menschen
Bei 1 ha Wald/Wildniss/Urwald pro 7 Menschen wären das zusammen: 11,9 Mill. Hektar Wald.
Und wieviel Wald hat Deutschland aktuell?
11,4 Millionen (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wald_in_Deutschland)
Es käme also noch eine halbe Million Hektar Wald/Wildnis/Urwald zum vorhandenen Wald dazu!
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Eine grundsätzliche Frage bleibt jedoch: Wie zutreffend sind die ganzen Berechnungen? Wie werden beispielsweise großflächige Bodenverseuchungen durch Industrieanlagen (AKW bis Chemiefabriken) eingerechnet? Bevor oder nach einem Unfall? Da ändern sich die Zahlen des Flächenverbrauch womöglich in wenigen Minuten um mehrere hundert Prozent …
Wenngleich zu vermuten ist, dass die reale Problematik viel schlimmer liegt als die Zahlen angeben, so ist doch erstaunlich, dass diese offiziellen Zahlen schon darlegen, dass das bisherige Siedlungs- und Verhaltensmuster mehr verbraucht als vorhanden.
Quellen zum grauen footprint:
Seite 15: http://www.footprint.at/fileadmin/zf/footprintfragen/Footprint-Broschuere-2013.pdf
Seite 3: http://www.bauxund.at/fileadmin/user_upload/media/service/nachhaltigKrankenhaus09/Pekny_Footprint_nachhaltigKrankenhaus09.pdf
Seite 29: http://www.bauxund.at/fileadmin/user_upload/media/service/nachhaltigKrankenhaus09/Pekny_Footprint_2_nachhaltigKrankenhaus09.pdf
Seite 1: http://www.lorentzweiler.lu/environnement/Foussofdrock.pdf?FileID=publications%2Fpublications%2Ffoussofdrock.pdf
Auch in diesem Buch ist auf Seite 173 etwas dazu zu finden: Martin Pittner, Strategische Kommunikation für LOHAS
Einblick ins Buch über books.google
Ganz besonders gefällt mir das Motto einer Aktion aus der Steiermark:
Gut leben von einem Hektar!
Text: http://www.abfallwirtschaft.steiermark.at/cms/beitrag/10955853/6347649/
Sehr schön auch das Bild auf dieser Schautafel:
http://www.abfallwirtschaft.steiermark.at/cms/dokumente/10955853_6347649/f6a02917/R%C3%BCckseite_Footprint-Tafel.pdf
Lieber Konstantin,
danke für die schöne Zusammenfassung des Themas grauer Footprint in dem Artikel. Ich unterrichte Nachhaltigkeit an der FH Kufstein und möchte das Thema mit den Studenten kurz anschneiden. Nun habe ich einen internationale Studiengruppe und machen die Vorlesung auf englisch. Ich habe schon einige Zeit im Internet recherchiert ob ich irgendetwas englischsprachiges dazu finde, bin aber überhaupt nicht fündig geworten.
Kennst du eventuell englische Literatur, Blogger, Forschung oder ähnliches zu dem Thema oder hast du eine Ahnung, wie man das wohl am besten übersetzen könnte?
lg inge