Heute Mittag war ich Zeuge und Ersthelfer eines Unfalls. Ich fuhr im Auto direkt neben einer Eisenbahnstrecke und sah wie ein älterer Mann die Gleise querte. Dann sah ich dass ein Zug kam der hupte und bremste. Im Rückspiegel konnte ich den Mann nicht mehr sehen, also hielt ich an und fuhr zurück. Anscheinend hatte er es fast geschafft die Gleise zu überqueren, aber eben nur fast. Der Zug hatte ihn erwischt und an die Seite geschleudert. Er atmete noch leicht, nur an einem Bein war eine grössere Wunde zu sehen.
Ich stoppte sofort kommende Autos damit jemand den Rettungswagen ruft. Da ich selbst kein Handy habe war ich zu diesem Moment sehr froh, dass mir jemand mit dieser Funk-Technik sofort geholfen hat. Es war erstaunlich: innerhalb weniger Minuten, quasi umgehend, war der erste Rettungswagen vor Ort. Mit viel technischem Gerät und geübten Handgriffen, waren die Sanitäter im Einsatz.
Mein bescheidener Beitrag war nur die schnelle Alarmierung, das Bedecken des Verletzten mit einer Silberfolie gegen Wärmeverlust und beim Verletzten zu bleiben bis die Profis kamen.
Es kamen kurz darauf noch Feuerwehr und Polizei und mit gemeinsamen Kräften wurde der Verletzte auf einer Trage die Bahnböschung hochgetragen und im Krankenwagen ins Klinikum gebracht.
Nachmittags konnte ich auf der Webseite der regionalen Zeitung lesen, dass keine Lebensgefahr mehr bestehen würde, am späten Nachmittag ist der Mann dann jedoch verstorben.
(siehe HNA-Artikel)
Dieses Erlebnis hat mich in ein Wechselbad der Gefühle geschmissen.
1.(ich sah den Mann, den Zug noch nicht) mutiger / leichtsinniger Mann
2.(ich sah den Zug kommen) aua, ob er das noch schafft
3.(ich sah den Mann nicht mehr) scheisse, dass ging daneben, ob der jetzt in Stücke zermalmt ist?
4. wenn ich jetzt zurückfahre muss ich womöglich ekelhaftes ansehen
5. ich muss zurückfahren und helfen wenn ich helfen kann, ich darf nicht wegsehen und flüchten
6. (ich sah den Verletzten noch nicht da er in einer Mulde lag) wo ist er nur? doch weggelaufen / oder vom Zug mitgeschleift?
7. (ich sah ihn jetzt in der Mulde) mist, doch, erwischt, aber zumindet noch am stück, nur eine Beinwunde
8. Juhu, er lebt
9. Kein Handy – mist
10. Auto gestoppt – haben auch kein Handy: mist
11. zweites Auto – juhu hat handy ruft sofort an
12. Mist ich kann nicht erklären wo wir sind – bin total aufgeregt und stottere am Telefon
13. hin- und hergerissene Gefühle ob ich den Verletzten in die stabile Seitenlage bringe oder nicht. Ich entscheide mich dagegen, da womöglich schwere innere Verletzungen vorhanden sein können (war eine richtige Entscheidung)
14. juhu, ich hab Rettungsdecke im Auto
15. juhu, Sanitäter kommen super schnell und der Mann lebt noch.
16. stundenlange Gedanken ob ich irgendwas hätte besser machen können
17. online gelesen dass keine Lebensgefahr besteht – juhu
18. Polizei angerufen und erfahren dass er dann doch gestorben ist .
19. Trauergefühle obwohl ich den Mann vorher gar nicht kannte. Aber ich hätte mich gefreut wenn er überlebt hätte und wieder gesund geworden wäre.
20. Die Bilder des erlebten tauchen in mir immer wieder auf. Zur verbesserten Verarbeitung schreibe ich die Erlebnisse in mein Tagebuch.
Zum einen war ich sehr glücklich über den schnellen und funktionierenden Einsatz der Technik: Handy, Krankenwagen, Feuerwehrautos, Spezialkreislaufmessgeräte, Beatmung, Medikamente, Tragen, Klinikum…
Ohne Hightech wäre dem Mann nie so schnell und vermutlich nie so gut geholfen worden.
Leider hat es nicht gereicht.
Aber es gibt einen ganz anderen Punkt: Die Eisenbahn ist auch Technik. Hätte der Zug z.B. schneller greifende Bremsen, oder er wäre generell langsamer gefahren, wäre der Unfall womöglich nicht passiert.
Vielleicht ist es möglich die Rettungstechnik mit viel Aufwand noch mehr zu verbessern um noch ein paar Sekunden herauszuholen. Doch weit besser wäre es Unfälle zu verhindern. Ob dazu der Einsatz von Technik der richtige Weg ist? Vielleicht ist es auch besser weniger Technik im Alltag zu haben.
Dieser Eintrag hat meine Freundin und mich sehr berührt und zum Nachdenken gebracht.
Hallöle,
das Problem kenne ich, aber nicht nur von Menschen, die den bequemen, kürzeren/gefährlichen Weg gehen wollen, sondern lebensmüden, die auf specktakuläre Art und Weise ihr Leben beenden wollen.
Nur warum werden die Lokführer in den seelischen Ruin getrieben?
Wer denkt dabei an Menschen, die nur Ihren Job machen und oft hinterher selbst erledigt sind?
Die Bremsen eines modernen Zuges sind Physikalisch am Ende. Du bekommst nun mal 300 t Gewicht aus einer Geschwindigkeit mit Rad und Sciene, also Eisen auf Eisen nicht schneller zum halten.
Du siehst wenn du Glück hast erst 100 m vorher, wenn einer die Gleise betritt und handelst entsprechen, Notbremse, egal ob hinter dir die Koffer fallen, Menschen umkippen, sich wehtun, denn keiner rechnet mit sowas. Und dann sind es halt noch 300 m, oder sogar mehr.
Sollte man den Kindern in der Schule beibringen.
Der Vorteil der Bahn, viele Menschen in kurzer Zeit irgendwohin bringen-Geschwindigkeit, und grosse Lasten 3000 t Kohle von a nach b, dass sind 300 LKWs bei 30 Tonnen.
Nachteil ist die Trägheit, langsames anfahren, lange Bremswege, seit fast 150 bekannt.
Und es glauben immer noch Menschen sie würden es noch schaffen.
Ich passe immer auf wie ein Lux und gehe im Zweifel nie, aber unsere Gesellschaft lebt ja von Überheblichkeiten. Und das Ganze Aufsehen das dann gemacht wird…..
Ist halt ne Nachricht-von der Bahn erfasst- schützt lieber die Bahnmitarbeiter von solchem Unsinn.
Denn auch der Lokführer muss sich den Misst ansehen und Hilfe leisten, auch bei Selbstmördern, wie soll er mit seiner Leiche weiterleben?
Und zur Technik, wir sollten sowieso überlegen, ob wir manches brauchen. Z.B. mit 300 durch die Gegend fahren-ob der Zeitgewinn den Aufwand rechtfertigt.
Eigentlich würde es reichen, wenn wir überall auf den Hauptstrecken 200 fahren könnten, aber da kommt eine Langsamfahrstelle nach der Anderen..
Ein Frohes Fest an Alle und seid schön Vorsichtig in Bahnnähe,
Hartmut