Wie erkennt man Sekten?

Seit meiner Jugend höre ich Warnungen bezüglich Sekten. Dieses Thema ist also nichts Neues. Interessant daran ist jedoch, das diese Warnungen weit verbreitet sind, jedoch allein der Begriff „Sekte“ schwer wissenschaftlich präzise definiert werden kann.

Ich zitiere die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern:

Einerseits kennen fast alle den Begriff „Sekte“ und verbinden damit eine meist recht deutliche Vorstellung, zum anderen gibt es keinerlei offizielle oder wissenschaftlich allgemein anerkannte Definitionen des Begriffs „Sekte“.
https://weltanschauungen.bayern-evangelisch.de/sekten.php

Auf diesem unscharfen Fundament ist es schwierig über das Thema überhaupt etwas tragfähiges zu schreiben.
Ich wage es dennoch.

An erster Stelle ist auffällig, das Warnungen vor Sekten häufig von Vertretern der Kirche ausgesprochen werden, während gleichzeitig Kirchen durchaus auch als Sekten gesehen werden können.

Geht es bei den Warnungen vor Sekten nur um wirtschaftliche Konkurrenz in der freien Marktwirtschaft der Weltanschauungen?
(Wenn das eigene Produkt wenig attraktives zu bieten hat verlagert sich das Marketing leicht darauf die Mitbewerber zu diffamieren.)

Wo ich gerade schrieb: Kirchen können auch als Sekten gesehen werden:

Wie erkennt man denn Sekten?
Was ist an Sekten problematisch?

Ich beginne zuerst mit der Herkunft des Wortes Sekte.

Ich zitiere die Evangelische Informationsstelle ‚Kirchen – Sekten – Religionen‘ der Schweiz:

Etymologisch geht das Wort Sekte auf das lateinische „secta“ zurück, welches vom Verb „sequi“ – „folgen“ i.S.v. „einem Meister nachfolgen“ abzuleiten ist. Die Etymologie betont damit ein wesentliches Merkmal sektenhafter Gruppen.

Die nicht selten zu hörende Ableitung vom Verb „secare“ – „abtrennen“ ist historisch gesehen sekundär und einem veralteten kirchlichen Sektenbegriff von der Sekte als Abspaltung von der Kirche verpflichtet. Effektiv sind die allermeisten heutigen Organisationen, die eine erhöhte Sektenhaftigkeit aufweisen, Neugründungen und nicht Abspaltungen von einer anderen Organisation. Neu mit Sinn gefüllt werden könnte die Ableitung von „secare“ dann, wenn sie als „sich von der umgebenden Gesellschaft abtrennen“ verstanden wird.
http://www.relinfo.ch/sekten/definition.html

Wichtig an dieser Stelle ist, das von „sektenhafter Gruppen“ geschrieben wird. Das Wort „Gruppe“ wird im folgenden Text noch mehrfach auftauchen.

Neben der vergangenheitsbezogenen Wortherkunft geht es mir nun darum wie man aktuell vorhandene Sekten erkennen kann. Im Internet fand ich dazu eine ganze Reihe an Checklisten und Prüfkriterien.

Ich zitiere wiederum die Evangelische Informationsstelle ‚Kirchen – Sekten – Religionen‘ der Schweiz:

Die landläufige Sektenbeschreibung lässt sich etwa so umschreiben:
„Sekte“ ist eine Gemeinschaft, die (auch private) Freiheit raubt.

Darin sind sieben wesentliche Merkmale des Phänomens Sekte enthalten:
1. Sekte ist immer eine konkrete Gruppe resp. Organisation.
2. Das Sekte-Sein einer Organisation entscheidet sich an deren Verhalten.
3. Der Sektenbegriff ist vom aufklärerischen Freiheitsbegriff abhängig. Die Rede von Sekten macht nur Sinn in einem Kontext, der von der Aufklärung geprägt ist.
4. Sekte bezeichnet eine Organisation, die dem Mitglied Autonomie nimmt.
5. Die Sekte zielt dabei auf den ganzen Bereich persönlicher und gesellschaftlicher Entscheidungsfreiheit, beschränkt sich also nicht wie Schule oder Armee auf bestimmte Bereiche.
6. Die Abgabe der Autonomie geschieht zumindest aus der Sicht ehemaliger Mitglieder und Aussenstehender z.T. unfreiwillig.
7. Sektenhaftigkeit ist ein graduelles Merkmal, im Mass der Beschneidung der Autonomie.
http://www.relinfo.ch/sekten/definition.html

Neben dem schon angesprochenen Wort „Gruppe“ tauchen hier noch die Begriffe „Gemeinschaft“ sowie „Organisation“ auf.

Auf der genanten Webseite finden such auch „Sektenmerkmale“:

Aus der vergleichenden Betrachtung von Gemeinschaften, die einen im Vergleich mit anderen hohen Prozentsatz von Aussteigern produzieren, welche die Gemeinschaft als sektenhaft erlebt haben, können Merkmale potenziell als Sekte wirkender Organisationen (sog. Sektenmerkmale) gewonnen werden, z.B.
1) Eine Führungspersönlichkeit, deren Aussagen nicht hinterfragbar sind und der allfällige Verehrung zukommt.
2) Regulationen für viele Bereiche des Lebens.
3) Ein (institutionalisierter oder informeller) Kontrollmechanismus zur Ueberwachung des Verhaltens der einzelnen Mitglieder.
4) Ein Elitebewusstsein der Organisation.
5) Eine Innen-Aussen-Spaltung mit Abwertung der Aussenwelt, eine systematische Abwertung des bisherigen Lebens.
6) Endogamie, d.h. ein Verbot oder die Ächtung von Liebesbeziehungen zu Aussenstehenden.
7) Hohe zeitliche Inaspruchnahme der Mitglieder.
8) Z. T. auch weitgehende Indienstnahme der finanziellen Ressourcen der Mitglieder u.a.m.

Zur schnellen Prüfung der Sektenhaftigkeit von Gemeinschaften haben sich folgende drei Merkmale bewährt, die gemeinsam gegeben sein müssen, um bei einer Gemeinschaft hohe Sektenhaftigkeit erwarten zu lassen:
1) eine Führung, die von den Mitgliedern nie kritisiert wird
2) Regulationen für alle Bereiche des Lebens
3) Kontrolle der Beachtung dieser Regeln entweder formell oder informell.

So kann man im Internet Listen um Listen finden. Man kann aus dem Lesen fast nicht mehr herauskommen.
Gleichwohl empfinde ich es als wertvoll, sich mit der Thematik intensiv zu beschäftigen.

Schwierig ist es die vielen Angaben über Sekten zu konzentrieren auf das Wesentliche

Ich wiederhole dazu einen Satz:

„Sekte“ ist eine Gemeinschaft, die (auch private) Freiheit raubt.

Es geht also um Gemeinschaften (oder Gruppen oder Organisationen) und es geht um den Wert der Freiheit, bzw. den Erhalt der Freiheit oder den Verlust der Freiheit.

Diese zwei Punkte, Organisationsform und Wert der Freiheit, erachte ich als zentral.

Damit wird auch deutlich warum Sekten als schädlich gewertet werden, denn individuelle Freiheit ist ein allgemein anerkannter Wert, gewissermaßen eine Errungenschaft der Menschheit.

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Neben den Organisationen (Gruppen, Gemeinschaften), die „Sekte“ im Markt der Weltanschauungen anbieten gibt es auch deren Zielgruppe, diejenigen, die sie anwerben wollen um denen die Freiheit zu rauben. Ich nenne diese Zielgruppe: „Suchende“

Es ist sofort logisch erkennbar, das keinerlei Sekte entstehen kann, wenn es keine Suchenden gäbe.
Was wäre ein „Meister“, ein „Guru“, wenn niemand zuhört, niemand nachfolgt?

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Jetzt betrachte ich die oben genannten Kriterien zur Erkennung von Sekten an alltäglichen Beispielen:

Die Kirche:

  1. Organisation / Gruppe mit Mitgliedern (Ja)
  2. eine Führung, die von den Mitgliedern nie kritisiert wird (Ja, zB: Papst)
  3. Regulationen für alle Bereiche des Lebens (Ja, zB Erwachsenenkatechismus)
  4. Kontrolle der Beachtung dieser Regeln entweder formell oder informell. (Ja, zB. Fegefeuer, Beichte)

Der Corona-Staat:

  1. Organisation / Gruppe mit Mitgliedern (Ja)
  2. eine Führung, die von den Mitgliedern nie kritisiert wird (Ja, zB: Angela Merkel wird zwar kritisiert, gleichwohl konnte die Kritik seit Jahrzehnten ihr nichts anhaben)
  3. Regulationen für alle Bereiche des Lebens (Ja, zB: Maskenzwang, Ausgangssperre, Besuchsverbote)
  4. Kontrolle der Beachtung dieser Regeln entweder formell oder informell. (Ja, zB. durch Polizei)

Sind alle Kirchen und alle Staaten Sekten?
Vermutlich nicht, aber einige Kriterien treffen zu.

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Jetzt betrachte ich im Vergleich dazu die sogenannte Anastasia-Bewegung:

  1. Organisation / Gruppe mit Mitgliedern (Nein)
  2. eine Führung, die von den Mitgliedern nie kritisiert wird (Nein)
  3. Regulationen für alle Bereiche des Lebens (Nein)
  4. Kontrolle der Beachtung dieser Regeln entweder formell oder informell. (Nein)

Im Detail:

  1. Es gibt weltweit Millionen Leser der Anastasia-Bücher, es gibt aber (meines Wissens nach) keine Organisation in der all diese Leser Mitglied wären. Wo soll die Teilnahme an einer „Gruppe“ anfangen oder aufhören? Gehört man zur Gruppe der Buchleser nachdem man den ersten Satz des Band 1 gelesen hat? Oder erst, wenn man alle Bände gelesen hat bis einschließlich Band 10? Steigt man aus der „Gruppe“ aus sobald man das Buch zuschlägt?
    Es mag regional kleine Vereine geben, beispielsweise unser Verein ‚Projekt Waldgartendorf e.V.‘ mit ein paar Handvoll an Mitgliedern. Es gab einmal einen Versuch einzelner Menschen einen überregionalen Dachverband zu bilden. Dagegen habe ich mit intensiv und erfolgreich gewehrt weil ich dies als eine Einschränkung der Freiheit wahrgenommen hätte.
    Ich kann beim besten Willen keine zentrale Gruppe oder zentrale Organisation innerhalb der Anastasialeser finden.
  2. Ich wüsste nicht wer die Führung der nicht vorhandenen Gruppe haben sollte, die obendrein nicht kritisiert werden dürfe. Sollte der Buchautor, Herr Megre ein Führer sein? Ich habe beispielsweise mit ihm noch nie gesprochen und ich könnte ihn durchaus kritisieren. Beispielsweise fände ich es besser, wenn alle deutschen Übersetzungen aus einem Verlag (zB. Govinda) herausgegeben werden würden, aber die Bücher werden von zwei Verlagen heraus gegeben. Auch gibt es in der Buchserie diverse inhaltliche Fehler und Widersprüche.
  3. In den Anastasia-Büchern finden sich Anregungen für viele Bereiche des Lebens, aber es gibt keine festen Regeln, keine Regulationen. Es gibt sogar viele Textstellen, die sich gegenseitig widersprechen. Beispielsweise gibt es Textstellen mit veganer  Ernährung, dann auch mal vegetarisch oder auch mit tierischen Produkten schließlich die freigeistige Textstelle:
    „Sieh mal, deine Fragen, was, wann und wie man essen sollte, kann niemand so gut beantworten wie der Organismus des einzelnen Menschen. […] Ein Mensch sollte in dem Moment Nahrung zu sich nehmen, wenn es ihm sein Körper empfiehlt; einen anderen Ratgeber darf es nicht geben. […] Etwas Ähnliches gilt für deine Frage, was man essen soll: nämlich das, was man gerade zur Hand hat. Der Organismus wählt selbst das Richtige.“ (Band 1, Seite 94)
  4. Selbstverständlich gibt es keinerlei Kontrolle der nicht vorhandenen Mitglieder einer nicht vorhandenen Gruppe bezüglich der Einhaltung nicht vorhandener Regeln.

Sicherlich mag es unter den Anastasia-Lesern auch Suchende geben, also Menschen, die sich neu orientieren wollen, möglicherweise auch Menschen, die einen Guru oder eine Sekte suchen, die feste Regeln suchen und gar persönliche Freiheit abgeben und sich einer Gemeinschaft anschließen wollen. Diejenigen werden durch die Lektüre jedoch angeregt alleine in die Natur zu gehen und Gott direkt zu begegnen, ganz ohne Organisation, ohne Gruppe, ohne Gemeinschaft und selbstverständlich auch ohne Kontrolle irgendwelcher Regeln und damit ohne Einschränkung von Freiheit.

Für mich ist eindeutig: Die Anastasia-Leser sind keine Sekte und können keine Sekte werden.

Diejenigen, die in den Anastasia-Büchern und deren Lesern eine Sekte sehen, schauen womöglich nur in einen Spiegel!

Siehe dazu auch dieser Blogeintrag von Okt. 2019:
http://www.konstantin-kirsch.de/2019/10/sind-die-anastasia-buecher-ein-spiritueller-spiegel.html

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Nachtrag:

Dieser Text ist kein Angriff gegen die Kirche. Es ist für mich nur mehr als absurd, wenn Matthias Pöhlmann, als Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die Aussage von Jesus nicht zu kennen scheint:

Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.

Denn, Herr Pöhlmann hat mehrfach und in der Öffentlichkeit beigetragen die Anastasia-Bücher und deren Leser als rechtsextrem, als antisemitisch und als Sekte darzustellen, was selbstverständlich nicht richtig ist sondern eine böswillige Verleumdung darstellt.

Wie oben beschrieben, gibt es viele Suchende Menschen, auch bei den Anastasia-Lesern, und unter diesen Suchenden mag es auch einige geben, die eine Sekte suchen, als eine Organisation, eine Gemeinschaft, der sie sich anschließen können, einen Meister, dem sie folgen können. Nur finden sie dies nicht in den Anastasia-Büchern, den diese Bücher stehen für die Freiheit, die innere, wie die äußere Freiheit FÜR rein gesundes und glückliches Leben in Verbindung mit dem Leben, der Schöpfung und mit Gott – und zwar OHNE Mittler. Und dies scheint womöglich das Problem der Kirche zu sein: Da machen sich Menschen auf, mit Gott direkt ins Gespräch zu kommen OHNE die Kirche als Mittler. Das passt einer großen Organisation wie der Kirche wohl eher nicht. Das Problem der Kirche sind jedoch nicht die Anastasia-Bücher und deren Leser. Das Problem der Kirche ist die entstanden Unfähigkeit den Menschen Gott nahezubringen. Und die Sehnsucht nach Begegnung mit Gott ist groß, und wenn die Kirche gottlos geworden ist und sich beispielsweise mehr ihr Geld und materiellen Reichtümer sorgt als um den Glauben, dann brauchen sie sich nicht wundern, das die Menschen ihnen den Rücken kehren. Und das Hetzen gegen diejenigen, die sich von ihnen abgewendet haben, wird auch niemanden zurück holen sondern nur die Unglaubwürdigkeit der Kirche steigern. Dumm nur, das es in der Kirche eigentlich um Glauben ging. Und wenn der verschwindet, dann verliert die Kirche ihr Fundament.

Dazu ein weiterer Satz von Jesus:

Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.

Er sagte nichts von eine Staatskirche, die über das Finanzamt Kirchensteuer eintreibt. Es geht um das Zusammensein im Namen Jesu und nicht um eine Institution Kirche, die mittlerweile viele Kriterien von Sekten selbst erfüllt.

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