Bei meinen Waldgartenführungen ernte ich öfters Staunen sobald ich über die Eigenschaften und Möglichkeiten der Schwarzerle spreche. Da ich diese Tage wieder mal beim Pflanzen von Schwarzerlen bin schreibe ich nun im Blog darüber.
Da viele Böden durch die technische Landwirtschaft ausgelaugt oder ganz zerstört wurden ist der Bodenaufbau eine der wichtigsten Aufgaben für das Leben und Überleben der Menschheit. Humus und human haben den selben Wortstamm. Wir Menschen sind Erdlinge!
Und obwohl die Schwarzerle, lat. Alnus glutinosa, keine leckeren Früchte trägt so zählt sie dennoch zu meinen Lieblingsbaumarten, denn sie ist perfekt geeignet für eine Bodenregeneration.
Die gewünschte Wirkung der Schwarzerle erfolgt mit den Wurzeln sowie über Humusaufbau durch verrottendes Laub. Die Schwarzerle hat ein ausgeprägtes und tief reichendes Herzwurzelsystem mit besonders vielen vertikal nach unten gehenden Wurzeln. Angegeben werden 30-50 cm nach 2 Jahren, 120-150 cm nach 10 Jahren und mit steigendem Alter kann es an die 4 Meter nach unten gehen*. Auch wenn die Aussage, sie sei die am tiefsten wurzelnde einheimische Baumart nicht ganz stimmen dürfte, denn beispielsweise können Kiefern deutlich tiefer wurzeln, so zählt die Schwarzerle dennoch zu den auffällig tief wurzelnden Bäumen.
Was die Schwarzerle dabei besonders auszeichnet ist das Fehlen von Starkwurzeln. Die vertikal nach unten gehenden Wurzeln verjüngen sich rasch und gehen in großer Anzahl im Durchmesser von je nur 0,5 bis 3 cm nach unten. Die Schwarzerle hat dabei eine ausgeprägte Geschwindigkeit des Strebens in die Tiefe. Eine 10 cm dicke Lehmschicht wurde in 21,5 Tagen durchdrungen*.
Bei einer Untersuchung in Südwestdeutschland wurde die dichteste Durchwurzelung in 70 cm Tiefe gefunden und zwar sage und schreibe 70 mal so groß wie bei der Rotbuche! Der Anteil der Vertikalwurzeln beträgt 70-90% des Wurzelgewichts. In anderen Worten: Der Anteil an Horizontalwurzeln ist besonders gering ausgebildet*.
* = Zitate aus dem Buch ‘Wurzelatlas’, Leopold Stocker Verlag
In den oberflächennahen Bereichen finden sich bei der Schwarzerle Wurzelknöllchen, die durch Aktinomyceten (Strahlenpilze/ Bakterien) hervorgerufen werden und der Erle ermöglichen Luftstickstoff in Bodenstickstoff umzuwandeln.
Die Schwarzerle kann darüber hinaus ihre Wurzeln mit Sauerstoff versorgen. Deshalb gedeiht die Schwarzerle auch sehr gut am Ufer von Wasserläufen.
Konkret bedeutet dies: Im Moor, am Ufer und auf dauerfeuchtem Boden gedeiht die Schwarzerle gut und bei nicht ganz so hohem Wasserstand, also bei den meisten landwirtschaftlichen Flächen, wächst eine Vielzahl an vertikalen Wurzeln in tiefere Bereiche um Wasser zu finden.
Das während der Lebensdauer der Schwarzerle alljährlich im Herbst fallende Laub verrottet sehr schnell.
“Entscheidend ist das Verhältnis Kohlenstoff (C) zu Stickstoff (N), das sog. C/N-Verhältnis. Je niedriger es ist, desto schneller der Abbau.
Am leichtesten werden Zucker, Stärke, Proteine abgebaut. Am schwersten abbaubar sind Lignin, Harze, Wachse und Gerbstoffe.
Auch die verschiedenen Pflanzen haben dementsprechend eine unterschiedliche Abbaugeschwindigkeit:
Beim Laub von Erle, Esche, Robinie und Ulme liegen diese C/N-Werte in einem tiefen Bereich zwischen 12 und 25. Deshalb wird deren Streu rasch abgebaut. Das C/N-Verhältnis beim Laub von Bergahorn, Birke, Linde, Hagebuche, Pappel und Spitzahorn liegt in einem mittleren Bereich (zwischen 25 und 40), so dass deren Streu bereits deutlich langsamer abgebaut wird. Den langsamsten Abbau verzeichnet das Laub von Buche und Eiche und die Nadeln der Nadelbäume, denn deren C/N-Werte erreichen Werte bis 77.” (Zitat aus: https://www.wald.de/was-ist-humus/)
Die Schwarzerle ist eine lichtbedürftige Holzart, bevorzugt luftfeuchte und wärmere Lagen. Der Boden sollte eine gewisse Feuchte haben, zumindest in tieferen Bereichen. Ein höherer Nährstoffgehalt ist zwar von Vorteil, der entsteht aber durch das Wachstum der Erle von selbst. Nicht geeignet ist die Schwarzerle auf tiefgehendem Sand und Schotter sowie wenn der pH Wert extrem niedrig oder extrem hoch ist. Wobei die Schwarzerle sehr tolerant ist, auch saure Böden unter pH 5 sind geeignet (bei pH 5 gedeihen die Knöllchen sogar besonders gut).
Schwarz-Erle ist übrigens Nahrungsquelle/Lebensraum insbesondere für Schmetterlingsraupen und Käfer:
1 Wildbienenart
23 spezialisierte Raupenarten
91 Raupenarten
2 Schwebfliegenarten
10 Käferarten
Quelle: https://www.naturadb.de/pflanzen/alnus-glutinosa/
In der Literatur findet sich jedoch meist nicht, wie man Schwarzerlen als vorübergehende Pionierbäume zur Bodenverbesserung anwendet.
Kennengelernt hatte ich die bodenverbessernde Wirkung der Schwarzerle vor 30 Jahren bei der Anlage meines Waldgartens am Triesch. Seinerzeit legte ich eine Baumschule an, in der ich von jeder Baumart, die vor Ort passen könnte, 300 Jungpflanzen setzte. Beim jährlichen Umpflanzen der Bäume bemerkte ich eine deutliche Verbesserung des Bodens im Bereich der Erlenwurzeln. Der Boden wurde lockerer und roch besser. der Unterschied war sehr groß! So beschloss ich seinerzeit, an die 1000 Jungbäume der Schwarzerle zu besorgen und ganze Bereiche des zukünftigen Waldgartens damit zu bepflanzen. Beispielsweise habe ich den zukünftigen Gemüsegarten damit komplett vollgepflanzt, eine Erle Pro Quadratmeter! Auch der Bereich der Obstbäume wurde mit Schwarzerle komplett bepflanzt.
Im zukünftigen Gemüsegarten habe ich die Erlen ungefähr 10 Jahre lang ungehindert wachsen lassen und dann umgelegt. Im Obstgarten habe ich die Äste der Erle abgebrochen sofern sie den Apfelbäumen in die Quere kamen. Und da Erlenäste sehr leicht brechen braucht man dazu kein Werkzeug. Im Lauf der Zeit habe ich dann die Erlen in der Nähe der Obstbäume immer weiter abgesägt so daß mittlerweile von den ehemals hunderten Erlen nur noch eine im Bereich der Obstbäume steht. Ja, ich habe tatsächlich ungefähr 1000 Erlen gepflanzt um sie einige Jahre später umzusägen.
Von allen anderen sind jedoch die Wurzeln verrottet – und sie hinterlassen humushaltige vertikale Röhren im Boden. Dadurch kann Luft und Wasser tief eindringen, und – das ist jetzt das Entscheidende – auch Wurzeln anderer Pflanzenarten können in diesen Humusröhren schnell und gut genährt nach unten wachsen – zu den Wasseradern im Boden!!
Der Gemüsegarten startete zwar erst 10 Jahre später als üblich, er hat aber nun einen tiefgründig durchlöcherten Unterboden.
Die Obstbäume konnten im Lauf der Jahre ihre Wurzeln sehr leicht und schnell in tiefere Schichten wachsen lassen und haben daher bei Phasen der Trockenheit nie Probleme.
Gepflanzt werden Jungbäume der Schwarzerle am praktischsten mit einer Wiedehopfhaue. Ich bevorzuge dabei die eckige Ausführung (die ovale Form passt bei Schotter im Boden) mit einem extra langen 110cm Stiel. Soeben fand ich bei Amazon sogar eine Ausführung mit 135 cm Stiel für die ganz großen Menschen.
Gepflanzt wird dabei mit zwei Schlägen in der sogenannten Winkelpflanzung:
1. Schlag mit dem Beil
2. Schlag mit dem Blatt
3. Stil nach vorne und seitlich drücken so daß ein Erdspalt auf geht.
4. Jungpflanze in den Spalt ziehen (die Wurzelspitzen sollen unten sein / am Besten vom Spalt des 2. Schlages bis zum Ende des Spaltes des 1. Schlages)
5. Hacke herausnehmen und Boden antreten
Der Vorgang dauert wenige Sekunden.
Man kommt dabei gut auf 100 Pflanzungen pro Stunde, nach etwas Übung und je nach Boden ist auch weit mehr möglich.
Da der Vorgang durchaus Kraft braucht sollten Anfänger nicht kalkulieren an einem Tag 1000 Bäume setzen zu können…
Einsteiger können jedoch mit 200 Bäumen pro Tag rechnen.
Hier wird es in Bewegung gut gezeigt:
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Meine Gedanken und Empfehlungen für diejenigen, die ein größeres Stück Land bepflanzen wollen, beispielsweise einen 1 Hektar großen Familienlandsitz:
Leckere Obstsorten sind meist relativ hochpreisig und so ist es sehr kostspielig davon viele Bäume zu besorgen und ein späteres Umpflanzen geht oft nicht.
Auch mögen es viele Obstsorten nicht einzeln auf freiem Feld dem vollen Wind ausgesetzt zu sein.
Und wenn dann die sogenannten Schädlinge, ich nenne sie lieber die Regulatoren, sich auf diese besonderen Neulinge stürzen, ist schnell Frust angesagt oder übermäßiger Aufwand um die teuren Pflanzen am Leben zu halten.
Weit besser ist da eine ‘Planung’ mit Mengen an lebenden Schwarzerlen. Also anstatt nur auf Papier alle möglichen Pflanzungen zu entwerfen, so plant man vor Ort im Gelände mit ein paar Holzstecken (im Forstbedarf gibt es haltbare Robinienstäbe für ca. 1€ das Stück) und Schnüren oder Sägemehl auf dem Boden, egal wie – und dann pflanzt man Mengen Schwarzerlen überall dort wo man Pflanzungen haben will. Statt einer vielfältigen Wildobsthecke pflanzt man eine Hecke aus Schwarzerle … usw. Und bei geplanten Solitärpflanzungen, beispielsweise einem Apfel- oder Birnbaum, pflanzt man 3 Schwarzerlen im Dreieck mit 1 Meter Kantenlänge.
Dann nimmt man sich 5 bis 10 Jahre Zeit und beobachtet dabei das Gelände: Womöglich gefällt alles genau so wie es angepflanzt wurde. Dann kann man Stück für Stück die Erlen absägen und durch andere Baumarten ersetzen.
Bei der vorbereiteten Solitärpflanzung werden die 3 Erlen abgesägt und mitten ins Dreieck wird der Obstbaum gesetzt. Die Wurzelstöcke der Erlen bleiben drin, treiben evtl. wieder aus und werden nach weiterem Entfernen von Neutrieben absterben und humushaltige Gänge im Erdreich hinterlassen für die Wurzeln des Obstbaums.
Sollte jedoch die lebende Planung mit den Vorstellungen nicht übereinstimmen, man hat beispielsweise nicht bedacht wie die Winde sich verändern durch die höher gewordenen Büsche, oder man hatte übersehen, daß der Sonnenaufgang nun durch eine Pflanzung verdeckt wird, oder, oder, oder, dann sägt man die Erlen einfach ab und pflanzt entsprechend einer Planungskorrektur an anderer Stelle auf dem Grundstück weitere Erlen. Der einzige “Verlust”, den man dabei erleidet, sind wenige Cent an Kosten für die Jungbäume (ca. 50ct pro Pflanze) und etwas Zeit fürs Pflanzen und Beobachten. Dafür hat man aber als Nebeneffekt den Boden verbessert, was nie stört.
Und wenn man noch weiter denkt, dann kann man als Projektentwickler, mehrere Landstücke kaufen, evtl. mit einem Bagger passende Erdbewegungen machen, beispielsweise einen Teich und Terrassen anlegen, und dann die Hektare mit Schwarzerlen bewusst gestaltet bepflanzen, mit Robinienstäben und Schnüren markieren und die Freiflächen zwischen den Pflanzungen regelmäßig mähen. Nach 10 Jahren kann man dann diese vorgefertigten Landsitze verkaufen, denn in dem Alter des Bewuchses erkennen viele Menschen ob ihnen ein Grundstück gefällt oder nicht und gleichwohl obliegt den neuen Eigentümern dann noch den Schwarzerlenbewuchs zu personalisieren, also mit genau den Frucht tragenden Baumarten zu ersetzen, die ihnen schmecken.
Schwarzerle-Jungpflanzen gibt es bei Forstbaumschulen vor Ort oder im Internet, beispielsweise hier:
https://www.forstbaumschule.com/angebote/preisliste/
Ich empfehle die Größe 1+0 / 30-50 cm für knapp 500 € (netto + Versand) pro 1000 Stück (aktuelle Preise bitte beim Anbieter erfragen)
(die kleinere Variante ist zwar günstiger, aber hat wahrscheinlich auch mehr Ausfall / die größere Variante der einjährigen Schwarzerlen hat eher zu lange Wurzeln um sie mit der Wiedehopfhaue setzen zu können)
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Wer noch tiefer in das Thema Humus einsteigen will, kann dies mit diesem Buch gerne machen:
https://www.waldgartendorf.de/shop/artikel/humusphaere/
Für die Geländeplanung passend sind auch diese Bücher:
https://www.waldgartendorf.de/shop/artikel/permakultur-design-schritt-fuer-schritt/
https://www.waldgartendorf.de/shop/artikel/das-grosse-handbuch-waldgarten/
Folgebeitrag:
https://www.konstantin-kirsch.de/2024/08/humusaufbau-mit-schwarzerle-teil2.html
Ich bekam einen Kommentar per Email, den ich hier anonymisiert einstelle:
Hallo Herr Kirsch,
schöner Vortrag von der Schwarzerle.
Ich bin auch ein Fan von ihr. Bin Forstunternehmer mit Spezielisierung auf handmanuelle Aufforstung und Jungbestandspflege,
Fachagrarwirt für Baumpflege u.-sanierung.
Was ich noch ergänzend erwähnen möchte, ist die Verwendung der Schwarzerle auf verdichteten Böden.
Wie sich schon schreiben: Durch die Knöllchen an den Wurzeln kann die Erle verdichtete Böden wieder erschließen.
Und:
Verwendung als Brennholz.
Ich verwende sie gerne als Brennholz. Sie brennt gleichmässig und ruhig und gibt eine angenehme Wärme.
Dazu wächst sie relativ schnell und man kann schon nach wenigen Jahren, Brennholz “ernten”.
Nach der “Ernte” bildet sie wieder Stockausschläge und man kann sie wieder “ernten”.
Geht natürlich auch mit Hainbuche, oder Birke, aber Erle wächst schneller, wärmt gut, brennt langsam, und lässt sich sehr leicht spalten.
Dazu wächst Erle nach der Pflanzung sehr leicht an. Wir scherzen immer darüber, dass sie sogar anwächst, wenn man sie umgekehrt in den Boden steckt:))
Übrigens: Hut ab für die Leistung auf 100 Pflanzen pro Stunde zu kommen… da muss es schon echt gut laufen;)
Grüße
Ein weiterer Kommentar kam zu mir, den ich anonymisiert hier einstelle:
Schwarzerlen Zucht-Anlage … ist direkt bei mir in Weilheim … für Süddeutschland oder sogar ganz Deutschland werden hier 1 x im Jahr die Zapfen geholt. Ein Förster sagte mir das. Wenn Straßen wieder weggemacht werden und der Boden sich regenerieren soll werden die Schwarzerlen gepflanzt. Das macht sogar der Staat.