Honigernte in der natürlichen Bienenhaltung

Gerade habe ich mit einem Imkerkollegen gesprochen. Dabei erinnerte ich mich an einen Text von Bernhard Heuvel, den ich mit seiner Erlaubnis hier veröffentliche. Ich finde diese Zusammenstellung sehr beeindruckend!

Üblicherweise sind die Erwartungen an die Honigernte hoch – sowohl bei Neulingen der Imkerei, als auch bei den alten Hasen. Vor allem bei denjenigen, die schon eine Imkerei auf herkömmliche Weise betrieben haben.

Die gesteckten Erwartungen sollten jedoch bei einem Umstieg auf eine Imkerei wie die der Warré-Imkerei neu bedacht und bemessen werden. Hier einige Hinweise zum Nachdenken.

Eine Biene trägt pro Flug:

30mg Nektar oder Wasser

15mg Pollen oder Harz

Um eine Biene großzuziehen werden 130mg Pollen benötigt.

Ein Bienenvolk zieht unter natürlichen Bedingungen etwa 150 000 Bienen im Jahr groß.

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Ein Bienenvolk benötigt pro Jahr (wieder unter natürlichen Bedingungen):

120kg Nektar oder 4 000 000 Flüge

25 Liter Wasser oder 833 333 Flüge

20kg Pollen oder 1 333 333 Flüge

100g Harz oder 6 667 Flüge

70 kg Nektar wird direkt im Sommer verbraucht
50 kg Nektar wird zu 20kg Honig umgewandelt als Wintervorrat

Das ist der Jahresverbrauch einer kleinen natürlichen Honigbienenkolonie unter natürlichen Umständen. (Nach Prof. Seeley).

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50 kg Nektar werden zu 20kg Honig umgearbeitet.

Ein Bienenhalter mit niedrigen Erwartungen entnimmt vielleicht 10 kg Honig.

Dies kreiert einen Extrabedarf von 25 kg Nektar oder 833 333 Sammelflüge. Das sind ~20% mehr Arbeit für 10 kg Honig.

Die Honigbienen arbeiten in einem sehr schmalen Zeitfenster, in dem die Bienen die Möglichkeit haben auszufliegen UND einen Überschuss zu erwirtschaften. Die meiste Zeit des Jahres machen sie Minus und leben von den Reserven aufgrund des Wetters. Auch das Angebot an Nektar anbietenden Pflanzen muss stimmen, denn auch bei schönen Wetter und Flugaktivität kann die Bilanz immer noch negativ sein. Das kann sehr gut mit einer Bienenstockwaage beobachtet werden.

Nur 19% des Jahres (in Nordeuropa) haben die Bienen die Möglichkeit einen Überschuss zu erwirtschaften. Das korrelliert in etwa mit dem Verhältnis der Sonnenstunden an Gesamtstunden des Jahres, bei mir lokal liegt das Verhältnis etwa bei 17%.

Also ist zu beachten, dass es ein mehr oder weniger absolutes Zeitfenster gibt, innerhalb dessen den Bienen es überhaupt möglich ist, einen Überschuss zu erwirtschaften.

Der andere nicht weniger kritische Faktor ist die Menge der zur Verfügung stehenden Blütenpflanzen und die Menge an Nektar, den sie abgeben.

Indem 10 kg Honig geerntet werden, wird den Bienen die Aufgabe gestellt 20% mehr Nektar zu sammeln, um immer noch auf eigene Faust zu überleben. (Also ohne künstliche Zuckerfütterung).

Diese Mehrarbeit ist innerhalb des festen Zeitfenster zu erledigen. Daher ist es notwendig, dass die vorhandenen Bienen 20% mehr arbeiten oder dass einfach mehr Bienenmasse existiert.

Um mehr Bienenmasse aufzubauen, benötigen die Bienen 20% mehr Brutzellen. In einem wilden Volk bauen die Bienen etwa 2,5m² Wabenfläche (nach Seeley). 20% mehr Wabenfläche bedeutet 4 weitere Waben nach Warré-Maßstäben. 5-6 weiter Waben werden benötigt, um den Überschusshonig abzulegen.

Jedes Gramm Wachs (1g) , das für diese Extra-Waben benötigt wird, verbraucht 6 g Honig, wobei der Honig aus15 g Nektar (500 Sammelflüge pro g) hergestellt wird.

20% mehr Brut bedeutet gleichzeitig 20% mehr Angriffsfläche für Varroen. Bedeutet auch, dass Verluste durch Anlage weiterer Brut ausgeglichen werden müssen.

20% mehr Brut bedeutet auch 20% extra Verbrauch an Pollen Die Bienen brauchen zusätzliche 4kg Pollen. Das sind 266 666 Sammelflüge mehr im gleichen Zeitfenster. Das wiederum erfordert weitere Bienenmasse …

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Zusammenfassung

So sieht also die Auswirkung einer 10 kg Honigernte auf eine Bienenvolk aus (unter der Prämisse, nicht mit Zucker zu füttern und ähnliches).

Im gleichen Zeitfenster müssen die Bienen (pro Volk)…

1.) zusätzlich 25 kg Nektar sammeln und dabei 833 333 mehr Flüge absolvieren
2.) zusätzlich 4-10 Waben ausziehen
3.) zusätzlich 15 g Nektar pro 1g Wachs sammeln und dabei 500 Flüge pro 1g Wachs absolvieren
4.) zusätzliche 30 000 Bienen müssen großgezogen werden
5.) zusätzlich 4kg Pollen müssen herbeigeschafft werden um die Extra-Brut zu versorgen
6.) 20% mehr Anfälligkeit gegenüber Brutkrankheiten und -parasiten abwehren

noch zu erweitern…

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Über Erwartungen

Schaut man sich die Extra-Arbeit an, die durch die Erwartungen des Bienenhalters entstanden sind, beginnt man über Erwartungen zu sinieren.

Selbstverständlich werden Erntemengen von 20-50 kg pro Bienenvolk in der modernen Imkerei möglich gemacht durch Zuckerfütterung, durch Gebrauch von Rähmchen, Mittelwänden, Wanderung, usw. (Ist dieses „Mehr“ auch der Grund, warum Varroen möglich wurden?).

In der natürlichen Bienenhaltung ist es meiner Ansicht nach notwendig, als Erstes die Erwartungen bezüglich der Honigernte zurückzuschrauben. Das Zweite wäre sich genau anzusehen, wie das Zeitfenster aussieht, in dem die Bienen agieren. Lokale Klimatabellen eignen sich, um herauszufinden, in welchem Monat die meisten Sonnenstunden zu finden sind. Dann ist herauszufinden, was an blühenden Pflanzen um den Bienenstand zu finden ist.

Bienen bevorzugen Nahrungsquellen, die in 1 km Radius um den Bienenstock liegen, weil sie die Trachtquellen besser auffinden (nach Seeley liegen die Chancen >70%). Bis zu einem Umkreis von 3km liegt die Chance immerhin noch bei etwa 50%. Darüber nehmen die Chancen, dass die Bienen die Trachtquellen zeitnah und pünktlich finden rapide ab. Daher sollte die Versorgung eines Bienenvolks innerhalb eines Radius von 1-3km gesichert sein, vor allem bei der natürlichen Imkerei, in der nicht gewandert wird.

Dazu eignen sich Tabellen über Trachtpflanzen, in denen Angaben zu finden sind, wie viel kg Nektar diese Pflanze pro Quadratmeter gibt. Dann schaut man sich an, ob die Sonnenschein-Zeitfenster mit den Blütephasen übereinstimmen. Denn es nützt nichts, wenn die Sonne scheint und die Trachtpflanze nicht blüht. Es nützt auch nichts, wenn die Pflanze blüht und es herrscht ungünstige Witterung.

Das Dritte was geprüft werden sollte ist, wie viele Honigbienenvölker ein Standort vertragen kann. Haben die Bienen überhaupt eine Chance, sich aus dem direkten Umkreis zu ernähren. Ansonsten würde eine indirekte Konkurrenz den Bienen schaden. 120kg Nektar (+ 25 kg Nektar pro erwarteten 10 kg Honig bei der Ernte) und 20kg Pollen (+ 4kg Pollen für jede 10kg Honig, die Du ernten möchtest) werden von einem einzigen Bienenvolk benötigt.

Und – ist ausreichend Nektar und Pollen vorhanden? Vorhanden im richtigen Zeitfenster?

In der natürlichen Imkerei ist das Schwärmen und Schwärmenlassen der Honigbienenvölker zu bevorzugen. Ein Schwarm nimmt jedoch einen erheblichen Teil des gesammelten Nektars mit auf die große Reise. Möglicherweise werden mehrfach hintereinander Vor- und Nachschwärme abgehen, die jedes Mal Nektar mitnehmen.

Nachdem die Schwärme abgehen, müsste ein weiteres Zeitfenster existieren mit der entsprechenden Menge an Trachtpflanzen, um eine Ernte zu erwarten.

Nun, darin liegt meiner Meinung nach die Schwierigkeit der natürlichen Bienenhaltung/Imkerei. Bei der natürlichen Imkerei geht es nicht darum, eine Beute oder Methoden (Völkeraufbau, Wandern, Schwarmverhinderung, etc.) zu verbessern, sondern darum die Landschaft um einen herum zu verbessern. Ausserdem ist die zeitliche Abstimmung mit dem Jahresverlauf ganz besonders wichtig. Zum Beispiel, dass Schwärme möglichst zu Anfang eines Zeitfensters abgehen und der Aufbau der Völker danach.

Viele Grüße

Bernhard

1 Gedanke zu „Honigernte in der natürlichen Bienenhaltung“

  1. Bernhard Heuvel hat in seiner Betrachtungsweise wieder einmal (er ist mir aus diversen Foren als Autor bekannt)recht.
    Viel zu oft beherrscht auch die Imkerei Profitgier! Erntemengen werden bei Veröffentlichungen kleingeredet. Ich selber hatte vor wenigen Jahren auch dieses „Goldgräberfeeling“ beim allerersten Honig-Schleudern.(Mir war nur schnell klar: Das kann es nicht sein!!!
    Aber lieber werden Unmengen an billigen Futterlösungen verfüttert und über die ach so böse Agrar-& Chemieindustrie geklagt [nicht das die Kritik an Chemie etc. gänzlich unberechtigt wären !].
    Viele Imker reden nur über Naturschutz solange er ihren Interessen nicht im Wege steht – wer kennt nicht die Wespen-/Hornissenfallen an den Bienenständen vieler Kollegen, um nur ein Beispiel zu nennen.
    Letztlich ist auch die Varroa ein Ausdruck einer auf „Leistung getrimmten Massentierhaltung“ in der Imkerei.
    Da kommen Bemühungen im Sinne einer wesensgemäßen „extensiven“ Bienenhaltung gerade zur rechten Zeit – ob nun Warre, Weißenseifener Hängebeute, Bienenkiste oder was auch immer – letztlich zählt den Bienen einen Lebens-Raum zu bieten.
    Wer die großen Augen von Kindern & Erwachsenen einmal erlebt hat die staunend in ein Bienenvolk schauen … der weiß wovon ich rede.
    Und dann vielleicht die Freude über ein/zwei Gläser Honig pro Jahr als Belohnung für den umsichtigen „Bienenpfleger“.

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