Im Austausch zu den Themen Permakultur und Familienlandsitze höre und lese ich immer wieder den Begriff “Selbstversorgung”.
Diesbezüglich mag ich ein paar grundsätzliche Gedanken teilen.
Zumeist scheint dabei die Betrachtung auf Versorgung mit Nahrung zu liegen.
Rätselfrage: Warum nur?
Permakultur hatte von Anfang an NIE NUR das Thema Nahrung!
Ganz grob betrachtet liegt Nahrung bei der Priorität sogar ziemlich weit abgeschlagen:
Man kann gut überleben bis zu:
3 Wochen ohne Nahrung
3 Tagen ohne Wasser
3 Stunden ohne Wärmeschutz / externe Wärme
3 Minuten ohne Luft
Darüberhinaus konnte die Menschheit ziemlich lange ohne Internet, Handy, Autos, Strom etc. zurecht kommen.
Und doch zählt bei diversen “Selbstversorgungsprojekten” die Selbstversorgung mit Elektrizität zu den angestrebten Themen, wenn nicht sogar schneller realisiert, als die Nahrungsselbstversorgung.
(Wobei witzigerweise der “selbstgemachte” Strom aus GEKAUFTEN Solarzellen als Selbstversorgung gewertet wird, jedoch nicht die “selbstgeöffnete” Konservendose aus gekauftem 20 jährigen Vorrat – und länger als 20 Jahre hält eine Solarzelle womöglich nicht und muss dann neu GEKAUFT werden – wo ist der Unterschied zu einem Vorratslager aus Dosen?)
Ich behaupte, die Selbstversorgung mit Nahrung ist so ziemlich das einfachste, von dem, was Mensch braucht, zum glücklich sein. Essbares wächst von alleine. Wenn man sich auskennt, kann man vieles verzehren, was einfach so vorkommt (z.B. Kräuter). Schwieriger ist es schon mit Trinkwasser! Wer weiß, wie man eine Quelle findet oder anlegt? Wie testet man Wasser, wie reinigt man Wasser?
Ok, es gibt Labore für die Analyse und man kann Wasserfilter kaufen – im Konsumismus ja, aber als Selbstversorger?
Was ist mit Feinwerkzeug, z.B. eine Nadel? Selber machen aus selbst gefundenem Knochen, ok, soll gehen laut Survivalliteratur, aber wer kann das schon? Und wie fein wird die Nadel?
Und dann das Thema Wärme: Wer überhaupt schon mal Kleidung hat, kann froh sein. Und wenn er dann bei Sturm und Frost in einen Bach fällt, untertaucht und schnell wieder herausklettern kann – der hat echt andere Sorgen als Nahrung. Wenn er nicht schnell die Kleidung wechseln kann oder an einen warmen Ofen kommt, ist es nach spätestens 3 Stunden sehr grenzwertig mit dem Überleben.
Und wie macht man einen Luftfilter um eine 5 minütige Giftwolke zu überstehen?
Ok, kann man im Konsumismus kaufen – aber als Selbstversorger?
Wäre es vielleicht passend das Thema Nahrung nicht immer so in den Vordergrund zu stellen?
Beispielsweise erhöhen Waldgärten die Wasserbindung im Boden durch Bäume, Retentionsteiche, Swales, Keylines etc. und reduzieren dadurch die Hochwässer in den flussabwärts liegenden Auen. Das ist doch auch ein Nutzen von Waldgärten. Wer bei einer Überschwemmung zu ertrinken droht, weil ihm entweder die Luft oder die Wärme ausgeht, der hat in dem Moment auch andere Sorgen als Nahrung!
Und trotzdem ist alles bisher gesagte nur materiell gedacht.
Es heißt jedoch: Selbstversorgung und nicht Körperversorgung!
Daher die Frage: Was ist eigentlich das “Selbst”, was man versorgt sehen will?
Ist unser “Selbst” unser Körper? Wohl kaum.
Als Anregung ein Zitat aus dem Buch:
Die Öffnung des dritten Auges
von Dr. rer. nat. Ulrich Warnke
Seite 22
Wir haben als Mensch
- ein materieloses Ich
- zwei materielose Selbst-Instanzen als Ideen- und Informationsspeichereinheiten: das “Einfache Selbst” als Spiegel des Ich und das “Höhere Selbst” als Erfahrungen vieler Erdenleben,
- einen Materiekörper mit Gehirn, der als Erlebens- und Erfahrungsautomat dem Ich dient, sowie
- ein Bewusstsein als Werkzeug zur Informationserkennung und -verarbeitung
Über allen vier Komponenten steht der geistig höchst intelligente Ursprung von allem; es ist dass “wahre Selbst”.
Das Ich und die Selbst-Instanzen verwenden dieselben Instrumente und Modi (beim Ich “angeboren”), wie Bewusstsein, Wille und Motivation, Empfindungen und Gefühle, die Wahrnehmung und Denken ausmachen. Und schließlich ist da noch die Meme-Generierung durch Gedanken. Meme sind erschaffene und sich selbst fortpflanzende Informationsmuster und Wesenheiten.
Ich behaupte nun nicht, dass die Sicht von Herrn Dr. Warnke stimmen würde. Ich stelle dieses Zitat hier nur als Anregung rein, die Selbstversorgung doch bitte nicht nur auf die Nahrung für den physischen Körper zu reduzieren.
Daher gibt es von meiner Seite aus auch Wertschätzung für jene Projekte, die zumindest schon mal Wohlfühlorte schaffen, wenngleich sie Nahrung zukaufen (oder tauschen etc.).
Mir ist das sogar angenehmer, als die Vorstellung, da wäre ein Projekt, was sich zu 100% mit Nahrung versorgt, aber keiner der Menschen dort fühlt sich wohl.
Und gleichzeitig wertschätze ich auch Wege zur Lebensmittelselbstversorgung.
Dabei mag ich, im wahrsten Sinne des Wortes, gern über den Tellerrand hinaus schauen.
100%ige Selbstversorgung des einzelnen Individuums oder einer Familie erscheint weder machbar noch sinnvoll.
Daher braucht man auch nicht streiten, ob für eine 100%ige Selbstversorgung einer Familie ein sogenannter Familienlandsitz in der Größe von einem Hektar ausreicht oder nicht.
Laut wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstversorgung
heißt Kooperation von Selbstversorgern dann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Subsistenzwirtschaft
Gerne mag ich noch eine Anregung geben, die ich als passend zu den Werten der Permakultur sehe:
Je schwerer das Produkt, um so geringer mögen die Wege sein.
Beim Gewicht ist noch die Häufigkeit der Nutzung zu berücksichtigen!
Konkret:
1x alle 50 Jahre mehrere Tonnen Baustoff, kann durchaus von einigen Kilometern Entfernung geholt werden.
Jedoch täglich diverse Kisten an Trinkwasser aus Frankreich oder Italien, würde ich eher ablehnen.
Oder anders gesagt: Gerne gesehen ist globaler Austausch von Dingen, die sehr leicht sind oder gar kein Gewicht haben, wie z.B. Information, eMails, Briefe.
Auch Salz und Kräuter ist, relativ zur verbrauchten Menge, für geringen Aufwand über längere Entfernung zu transportieren.
Was ich als anstrebenswert erachte ist globale Subsistenzwirtschaft, also eine Wirtschaftsweise, die global und langfristig funktionieren kann. Und dazu gehört, wegen dem Energieaufwand für Transport, insbesondere die kleinsträumige Wirtschaft mit dem, was viel Gewicht hat und und häufig gebraucht wird. Und damit bin ich bei der Auflösung des Rätsels, warum so viele in der Permakultur (und sonstwo) sich mit Nahrungsselbstversorgung beschäftigen.
Zusatzaspekte wie Kleidung oder Werkzeug, die hoffentlich sehr lange halten, ist gerne eine überregionale Sache.
Vor Ort wäre jedoch das Thema Wärme in Form von Brennstoff, z.B. Holz zu klären.
Das ist bezüglich den umgesetzten Kalorien und den Tonnen an Material weit mehr als die Nahrung.
Ich sehe das Thema Wärme daher sogar als Priorität 2 (nach Wasser).
Wasser ist für mich Priorität 1.
Davon werden hunderte, wenn nicht tausende an Kilos monatlich bewegt.
Mit Kompostklo weniger, mit Gartenbewässerung mehr.
Angenommen, da ist ein Projekt mit
100% Wärmeselbstversorgung
100% Wasserselbstversorgung und -reinigung
50% Nahrungsselbstversorgung
10% Kleidung- und Werkzeugselbstversorgung
5% Gedankenselbstversorgung (wenn es das überhaupt gibt)
Dann fände ich das sehr begrüßenswert und würde nicht herumkritisieren, dass da noch Essen zugekauft wird.
Im übrigen sind die genannten Zahlen möglich bei Anlage von Waldgärten, also Gärten, die auch kleinere, mittlere und größere Nutzbäume beinhalten.